Fachbereich Mathematik

Romseminar 1998

4. Romseminar: Theorie & Visualisierung historischer naturwissenschaftlicher Instrumente

 

Wer sich mit der Wissenschaft bekannt machen will,
darf nicht nur nach den reifen Früchten greifen -
er muß sich darum bekümmern,
wie und wo sie gewachsen sind.

J.C. Poggendorfer

 

Unter diesem Motto gingen die diesjährigen Teilnehmer des nun schon traditionellen Romseminars der Arbeitsgemeinschaft Funktionalanalysis am Mathematischen Institut vom 23.2. bis 2.3.1998 der Funktionalität naturwissenschaftlicher Instrumente auf den Grund. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Seminare nahmen diesmal auch Informatikstudenten  an dem Gemeinschaftsprojekt unter der organisatorischen Leitung von Prof. R. Nagel (Arbeitsgemeinschaft Funktionalanalysis), Prof. W. Straßer (GRIS) und Dr. B. Eberhardt (GRIS) teil.

Welche Stadt außer Rom könnte eine geeignetere Kulisse für das Thema "Theorie und Visualisierung historischer, naturwissenschaftlicher Meßinstrumente" bieten?
So bestand dort in Verbindung mit der Theorie von Sonnenuhrenmodellen die Möglichkeit, sich diese am Beispiel des Obelisks auf dem Petersplatz und der Kuppel des Pantheons, die eine Halbschalensonnenuhr darstellt, zu veranschaulichen. Besonders beeindruckend war in diesem Zusammenhang die Führung mit dem deutschen Archäologe Prof. Buchner zu seinem berühmten Fund einer Mittagsstundenlinie auf dem antiken Marsfeld unter der heutigen Stadt Rom.

Mit dem Ziel gemeinsam erarbeitete theoretische Grundlagen in unterschiedlichster Weise zu veranschaulichen, wurde z. B. die komplexe Funktionsweise der Mechanik der Planetenbewegung nach De Dondi und  das Funktionieren eines Zahnradgetriebes von 80 v. Chr. durch  computergestützte Animationen auf einfache Art und Weise visualisiert.
Die teilweise äußerst komplizierte Funktionsweise der Instrumente wurden aber auch durch Experimente ("Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles! Wie es die Alchimisten versuchten") und mittels funktionstüchtiger selbstgebauter Modelle ("Historische Anemometer-Kraftmesser des himmlischen Kindes") verständlich gemacht.

Das Vortragsprogramm über historische, naturwissenschaftliche  Instrumente wurde  durch Beiträge aus den Bereichen Philosophie, Literatur und Kunst ergänzt. So entfachte ein Vortrag über Piero della Francesca eine interessante Diskussion über das Selbstverständnis der Mathematik. Das Ambiente des Casa di Goethe in der Via del Corso schuf den passenden Rahmen  für Gedanken über "Determinismus zwischen  Mathematik und Philosophie". Abgerundet wurde diese Nachmittagsveranstaltung durch ein amüsantes literarisches Potpourri zum Thema "AMOR-ROMA", bei dem sich Amor und Roma ein literarisches Wortgefecht lieferten.

Zu den kulturellen Aktivitäten gehörte eine Führung durch die Ara Pacis, bei der wir einen detaillierten Abriß der Geschichte zur Zeit des Augustus erhielten, sowie eine Besichtigung des Petrusgrabs unter den Fundamenten des Petersdoms.
Der Auftakt für das diesjährige Konzert in der Kirche S. Maria dell? Anima bildete ein Vortrag über "Die Ursprünge der Geige". Anschließend präsentierten Teilnehmer ein musikalisches Panorama von Bach über Schubert bis Arvo Pärt.

Den Veranstaltern danken wir für die perfekte Organisation und den Freunden der Universität für die finanzielle Unterstützung.
Als Teilnehmer des Romseminars können wir nun unseren berühmten Studienreisenden besser verstehen, wenn er sagte; "daß ich nur in Rom empfunden habe was eigentlich ein Mensch sei. Zu dieser Höhe, zu diesem Glück der Empfindungen bin ich später nie wieder gekommen, ich bin, mit meinem Zustand in Rom verglichen, eigentlich nachher nie wieder froh geworden."
J. W. Goethe, 1828.

Sämtliche Vorträge wurden in Rom in der Woche vom 23.2. bis 1.3.1998 präsentiert.

  • Franziska Kühnemund: Historische Anemometer - Kraftmesser des himmlischen Kindes.
  • Daniela Federsel, Karoline von Patow: O sole mio - der Streit um die Sonnenuhren.
  • Thomas Götz: Die Mechanik der Planetenbewegung nach DeDondi.
  • Gregor Nickel: Determinismus zwischen Mathematik und Philosophie.
  • Almut Zwölfer, Hartmut Borth: ROMA - AMOR: Eine kurze Geschichte der Liebe.
  • Jens Hahn: Vom Theodoliten zum Jakobsstab.
  • Marc Preunkert: Mathematik im antiken Rom - Aufstieg oder Niedergang der griechischen Ideen?
  • Steffen Wägelein: Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles! Wie es die Alchimisten versuchten.
  • Milena Hering, Claudia Meusers: Piero della Francesca - mathematischer Künstler oder künstlerischer Mathematiker?
  • Carmen Baggio: A Pisa tutto pende.
  • Jan Poland: Rätselhafte Ursprünge der Geige.
  • Benjamin Nill: Wetten, daß die alten Griechen schon wußten - ein Zahnradgetriebe von 80 v.Chr.
  • Abdelaziz Rhandi: Das Astrolabium des Al Biruni.
  • Tobias Hüttner: Am Horizont geht es weiter - die Geschichte des Längengrades.

 

rompic98.jpg