Fachbereich Mathematik

Romseminar 2022

Hard Problems - Warum sich die Beschäftigung mit schweren Problemen lohnt.

(parallel in Kiel, Siegen, Dresden und Tübingen)

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Gemeinsame Exkursion nach Rom, 27. 02. bis 06. 03. 2022

Es obliegt dir nicht, die Arbeit zu vollenden, es steht dir aber nicht frei, sich ihrer zu entledigen. - Sprüche der Väter [Pirkei Avot] 2,21

Du darfst die Parallelen auf jenem Wege nicht versuchen; ich kenne diesen Weg bis an sein Ende [...] – ich beschwöre Dich bei Gott! Lass die Lehre von den Parallelen in Frieden[...] sie kann Dich um all’ Deine Muße, um die Gesundheit, um Deine Ruhe und um Dein ganzes Lebensglück bringen. - Farkas Bolyai (Mitentwickler der nichteuklidischen Geometrie) an seinen Sohn Janos (1820)

Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen. - Albert Camus, Le mythe de Sisyphe (1942)

In diesem Romseminar wollen wir »schwere«, oder sogar »unlösbare« Probleme aus Geschichte und Gegenwart in Bezug auf Mathematik und Informatik in den Blick nehmen. Da gibt es einerseits die eigentlichen mathematischen Probleme, die – um für die Forschung interessant zu sein – schwer, aber im Prinzip lösbar sein müssen. Andererseits gibt es aber auch etliche unlösbare Probleme, die für die Entwicklung der Mathematik und Informatik von besonderer Bedeutung sind oder waren. Beispiele dazu sind etwa

  • Die klassischen Konstruktionsprobleme der Geometrie – also die Quadratur des Kreises, die Verdoppelung eines Würfels oder die Dreiteilung eines Winkels, jeweils nur mit Zirkel und Lineal – sind allesamt  unlösbar, haben aber über Jahrtausende zu reichhaltiger Mathematik angespornt.
  • Leicht zu formulierende Fragen wie das Parallelenproblem oder die Suche nach einer allgemeinen Lösungsformel für Polynome höherer Ordnung haben durch ihre Unlösbarkeit zuganz neuen Forschungsgebieten, wie nichteuklidische Geometrie und Galoistheorie geführt.
  • Die Nichtentscheidbarkeit der Kontinuumshypothese, also des ersten Hilberts Problemen, hat zu einem vertieften Verständnis der Struktur der reellen Zahlen und der Mengentheorie geführt.

Die Informatik bietet zudem noch die Möglichkeit, die Schwierigkeit eines Problems über den algorithmischen Aufwand gleichsam mathematisch zu messen. Ein berühmtes noch ungelöstes Problem in diesem Zusammenhang ist durch die  Gleichung P=NP symbolisiert und führt die Liste der sieben »Millenniums-Probleme« an, für deren Lösung jeweils eine  Million Dollar angeboten wird. Neben solchen Themen sollen aber auch schwere oder noch nicht gelöste Probleme aus anderen Kontexten betrachtet und in Bezug zu Mathematik und Informatik beleuchtet werden: Klimawandel und  Nachhaltigkeit, Migration, Fragen der sozialen bzw. internationalen Gerechtigkeit, die Suche nach einer globalen Rechts- oder Friedensordnung und ganz aktuell der Umgang mit Pandemien. Im öffentlichen Diskurs werden immer wieder anscheinend ganz einfache Lösungen für solche Probleme angeboten, wodurch wiederum das schwere Problem entsteht,  wie mit diesen – oft fundamentalistischen – Positionen in kluger Weise umgegangen werden kann. Oft muss auf der Basis unzureichender Information und unter Zeitdruck eine legitime und möglichst kluge Entscheidung gefunden werden. Dabei spielen Mathematik und Informatik eine stets größer werdende Rolle. Bei der Beschäftigung mit diesem Thema wollen wir uns von folgenden Fragen leiten lassen:

  • Wie wurde und wird mit schweren Problemen umgegangen und welche Rolle spielen Mathematik und Informatik dabei?
  • Was machte das jeweilige Problem »schwer«, und inwiefern bzw. wodurch kann sich das ändern, bzw. hat es sich geändert?
  • Was bedeutet es bzw. welche Konsequenzen hat es, wenn ein bestimmtes Problem innerhalb bzw. außerhalb der  Mathematik unlösbar ist?
  • Soll man sich mit schweren Problemen beschäftigen oder sie lieber umgehen?

Vom diesjährigen Romseminar erhoffen wir uns Freude an und Inspiration durch teilweise verblüffende und faszinierend einfache Lösungen für »hard problems«, ebenso wie die Vertiefung einer kritischen Urteilsfähigkeit gegenüber zu einfachen »Lösungen«. Das Romseminar bietet die besondere Möglichkeit, über den Tellerrand des eigenen Studienfachs hinaus zu schauen und sich mit Studierenden der anderen teilnehmenden Hochschulen auszutauschen. Daneben geht es auch darum, Präsentation, Rhetorik und Diskussion in einem fachlichen Kontext zu üben. Im Laufe des Wintersemesters werden wir uns zunächst das Thema durch gemeinsame Lektüre und Diskussionen erschließen. Bis Ende Dezember soll  dann jeder Teilnehmer ein eigenes Thema für eine Präsentation gefunden und diese im Dialog mit den Studierenden vor Ort bis Ende des Semesters erprobt haben. Diese Präsentation wird schließlich während der Exkursionsphase in Rom vorgestellt und diskutiert. Dabei lassen wir uns durch ein vielfältiges Begleitprogramm auch an sonst nicht zugänglichen Orten dieser »Ewigen Stadt« inspirieren. Voraussetzung für das Seminar ist die Bereitschaft, sich mit der Thematik  engagiert auseinanderzusetzen. 

Weitere Informationen bei Kari Küster und Rainer Nagel.